Ein Mann im Anzug blickt bei Sonnenuntergang über eine Stadt mit Hochhäusern, im Vordergrund zieht sich eine leuchtende Linie wie ein Erzählstrang durch das Bild – Symbol für Storytelling in der strategischen Positionierung

Storytelling in der strategischen Positionierung

Management Summary

Storytelling ist mehr als ein Buzzword. Bilder, Metaphern und Geschichten prägen unser Denken stärker als Zahlen und Fakten, weil unser Gehirn für visuelle und emotionale Reize gebaut ist. Neurowissenschaft und Psychologie zeigen: Wir erinnern Geschichten zuverlässiger, wir fühlen mit, wir handeln danach.

Für Unternehmen und Führungskräfte heißt das: Storytelling ist kein „nettes Beiwerk“, sondern ein strategisches Werkzeug. Richtig eingesetzt, verankert es die Positionierung im Kopf und Herzen der Zielgruppe – und macht Marken und Persönlichkeiten unverwechselbar.

Dieser Beitrag zeigt, warum Storytelling wirkt, wie es auf biologischer und psychologischer Ebene funktioniert und wie Top-Führungskräfte es gezielt in strategische Positionierung und Personal Branding integrieren können. Die Botschaft ist klar: Ohne Substanz bleibt Storytelling Dekoration. Mit strategischem Fundament wird es zum Differenzierungshebel.

Video-Podcast_Impuls

Positionierung statt Personal Branding - Christian Rahn und Bernd Ziethen diskutieren, wie sich Positionierung von Personal Branding unterscheidet und warum gerade die dynamische Komponente so wichtig ist. Sie beleuchten, welche Herausforderungen die digitale Transformation für die Sichtbarkeit und Authentizität von Führungskräften mit sich bringt und welche Strategien notwendig sind, um erfolgreich sichtbar zu bleiben.

Warum Bilder und Geschichten Marken unverwechselbar machen

Die Marketingwelt ist voll von Schlagwörtern. Kaum ein Begriff wurde in den vergangenen Jahren so inflationär genutzt wie „Storytelling“. Fast jedes Unternehmen behauptet, „seine Geschichte zu erzählen“. Doch während viele darunter hübsche Anekdoten oder eine neue Werbekampagne verstehen, geht es in Wahrheit um weit mehr: Storytelling ist ein strategisches Instrument. Richtig eingesetzt, macht es den Unterschied zwischen einem Unternehmen, das im Markt austauschbar bleibt, und einer Marke, die im Kopf und Herzen der Zielgruppe verankert ist.

Dieser Beitrag zeigt, warum Bilder und Geschichten auf biologischer, psychologischer und kommunikativer Ebene so wirkmächtig sind und wie Entscheider:innen Storytelling nutzen können, um ihre strategische Positionierung und ihr Personal Branding unverwechselbar zu machen.

Warum unser Gehirn Geschichten liebt

Die Antwort liegt tief in unserer Biologie. Menschen sind visuelle Wesen: Rund 70 bis 80 Prozent aller Sinneseindrücke sind visuell. Studien des Massachusetts Institute of Technology zeigen, dass unser Gehirn Bilder in nur 13 Millisekunden verarbeiten kann (Potter et al., 2014). Sprache, Zahlen und abstrakte Fakten benötigen ein Vielfaches an Zeit und kognitiver Energie.

Noch stärker wird die Wirkung, wenn Informationen in Geschichten verpackt sind. Neurowissenschaftler wie Paul Zak konnten zeigen, dass Storys nicht nur das Sprachzentrum aktivieren, sondern auch Areale für Emotion, Motorik und sogar Geruchsvorstellung. Wenn wir hören, dass jemand „den Duft von frischem Brot“ wahrnimmt, feuern in unserem Gehirn dieselben Areale wie beim tatsächlichen Riechen. Spiegelneuronen sorgen zudem dafür, dass wir mitfühlen. Freude, Angst oder Spannung einer Figur werden zu unserer eigenen Erfahrung.

Das erklärt, warum Fakten allein selten im Gedächtnis bleiben, Geschichten jedoch jahrtausendelang tradiert werden konnten. Wir sind evolutionsbiologisch darauf programmiert, Muster, Handlungen und Emotionen schneller und tiefer zu verarbeiten als abstrakte Sprache.

Bilder, Metaphern und die Psychologie des Erinnerns

Dass Geschichten und Bilder besonders haften bleiben, ist auch psychologisch gut erforscht. Der sogenannte „Picture Superiority Effect“ (Paivio, 1971; Standing, 1973) zeigt: Bilder werden deutlich besser erinnert als Worte allein. Menschen konnten in Experimenten Tausende von Fotos wiedererkennen – ein Beweis dafür, dass unser Gedächtnis visuelle Codes bevorzugt speichert.

Metaphern verstärken diesen Effekt. Sie übersetzen Komplexität ins Vertraute und machen abstrakte Konzepte greifbar. Ein Unternehmer, der seine Positionierung als „Kompass im unruhigen Markt“ beschreibt, bietet seiner Zielgruppe sofort ein Bild, das Orientierung und Verlässlichkeit transportiert. So wird strategische Klarheit nicht als trockene Analyse, sondern als lebendiges Narrativ erfahrbar.

Hinzu kommt die emotionale Wirkung. Der Neurowissenschaftler Antonio Damasio zeigte bereits in den 1990er-Jahren, dass Entscheidungen selten auf reiner Logik basieren. Vielmehr sind Emotionen entscheidend – sie aktivieren das limbische System, insbesondere die Amygdala, und steuern damit Kauf- und Wahlentscheidungen. Eine nüchterne Nutzenargumentation überzeugt rational, eine Geschichte überzeugt emotional und rational zugleich.

Storytelling als strategisches Kommunikationsinstrument

Im Kommunikationsalltag bedeutet das: Storytelling ist kein „nettes Add-on“, sondern ein Hebel, um Aufmerksamkeit, Verständnis und Vertrauen zu schaffen. In einer Welt permanenter Reizüberflutung heben sich Geschichten vom Rauschen ab, weil sie Spannung und Kontext bieten.

Sie sind zudem „sozial anschlussfähig“. Sie lassen sich weitererzählen, teilen und adaptieren. Eine Statistik wird selten beim Abendessen wiedergegeben, eine gute Geschichte dagegen schon. Genau deshalb verbreiten sich Narrative organisch stärker als reine Datenpunkte.

Für Unternehmen und Führungskräfte eröffnet das eine enorme Chance. Mit klaren Geschichten können sie Identifikation stiften, Nähe herstellen und abstrakte Markenwerte erlebbar machen. Doch hier liegt auch die Gefahr: Ohne klare strategische Grundlage bleibt Storytelling nur eine hübsche Verpackung.

Positionierung liefert den Kern, Storytelling macht ihn lebendig

Strategische Positionierung bedeutet, ein klares Nutzenversprechen und eine eindeutige Differenzierung im Markt zu definieren. Kotler und Keller sprechen vom „Platz im Kopf der Kunden“, den es zu besetzen gilt. Al Ries und Jack Trout machten dieses Prinzip populär: „Positioning is not what you do to the product; it’s what you do to the mind of the prospect.“

Branding, und damit auch Storytelling,  ist die Umsetzung dieser Positionierung. Es übersetzt das strategische Fundament in Bilder, Emotionen und Erlebnisse. Ohne klares Fundament bleibt Storytelling beliebig. Mit einer klaren Positionierung wird es zum kraftvollen Transportmittel, das den Unterschied im Markt sichtbar und spürbar macht.

Ein anschauliches Bild: Positionierung ist der Grundriss eines Hauses, Storytelling die Inneneinrichtung. Wer ohne Architekturplan dekoriert, riskiert Chaos mit schönen Möbel ohne Struktur. Erst wenn die strategische Basis steht, ergibt die erzählerische Ausgestaltung Sinn.

Lesetipp: Warum Positionierung wichtiger ist als Branding

Personal Branding: Geschichten, die tragen oder scheitern

Gerade im Personal Branding zeigt sich die Macht (und Gefahr) von Storytelling besonders deutlich. Viele Führungskräfte investieren viel Energie in Sichtbarkeit – Posts, Vorträge, Interviews. Doch Sichtbarkeit ohne Substanz bringt wenig.

Ein Beispiel: Ein IT-Unternehmer baute sich über LinkedIn eine beachtliche Reichweite auf. Er postete täglich. Mal Motivationszitate, mal Tech-News, mal persönliche Anekdoten. Die Followerzahlen stiegen, der Umsatz nicht. Der Grund? Sein Personal Brand war nicht mit der Positionierung seines Unternehmens verknüpft. Erst als er seine Firma klar als Anbieter für digitale Logistiklösungen positionierte und seine Geschichten entlang dieser Strategie ausrichtete, wurde er in seiner Nische als relevanter Experte wahrgenommen und gewann Neukunden.

Authentische Geschichten wirken nur dann, wenn sie strategisch verankert sind. Personal Branding ist kein Selbstzweck, sondern ein Verstärker der Unternehmensstrategie.

„Infografik mit dem Titel ‚Wie kann Storytelling effektiv in der Markenstrategie eingesetzt werden?‘. Drei Kästen zeigen zentrale Aspekte: 1. Strategische Botschaft – Symbol Kompassstern, Text: ‚Konzentriert sich darauf, das Kernversprechen der Marke zu vermitteln.‘ 2. Emotionale Verankerung – Symbol Kopf mit Herz, Text: ‚Zielt darauf ab, eine bestimmte Emotion zu etablieren, um die Marke zu differenzieren.‘ 3. Visuelle Metaphern – Symbol Brücke, Text: ‚Verwendet Bilder, um abstrakte Konzepte konkret zu machen.‘ Unter jedem Kasten zeigt eine Hand nach oben auf das jeweilige Feld

Praxisleitfaden für Führungskräfte

Wie können Entscheider:innen Storytelling konkret nutzen? Drei Fragen sind zentral:

  1. Was ist unsere strategische Botschaft? Jede Geschichte muss das Kernversprechen der Marke transportieren.
  2. Welche Emotion wollen wir verankern? Vertrauen, Mut, Sicherheit, Innovation – Emotion ist der Schlüssel zur Differenzierung.
  3. Welche Bilder und Metaphern übersetzen diese Botschaft? Eine Metapher wie „Kompass“, „Brücke“ oder „Wurzel“ macht Abstraktes konkret.

Hilfreich ist dabei ein „Story-Canvas“: Ausgangspunkt ist das Positionierungsstatement („Wofür stehen wir, für wen, warum sind wir einzigartig?“). Daraus lassen sich Narrative entwickeln, die konsistent und differenzierend wirken – in Markenkommunikation ebenso wie im Personal Branding.

Wichtig ist auch die Dramaturgie: Konflikt, Wendung, Lösung. Unternehmen, die nur über ihre Stärken sprechen, bleiben blass. Erst die Spannung, wie ein Problem, eine Hürde, eine Transformation, usw., macht die Geschichte relevant und einprägsam.

Lesetipp: Positionierung ist keine spirituelle Erfahrung

Substanz vor Inszenierung

Bilder und Geschichten wirken, weil unser Gehirn dafür gebaut ist. Sie aktivieren schneller, tiefer und nachhaltiger als abstrakte Fakten. Doch ohne strategische Verankerung laufen sie ins Leere.

Die Aufgabe für Führungskräfte lautet daher nicht: „Wie erzählen wir eine Story?“, sondern: „Welche Story ergibt sich aus unserer Positionierung?“ Erst wenn das Fundament klar ist, entfaltet Storytelling seine volle Kraft im Branding, im Personal Branding und in der Marktpositionierung.

Oder anders gesagt: Wer nur Geschichten erzählt, läuft Gefahr, belanglos sichtbar zu sein. Wer strategisch positioniert ist und die richtige Geschichte erzählt, wird unverwechselbar.

Welche Geschichte erzählt Ihre Marke und zahlt sie auf Ihre strategische Positionierung ein? 

Lust auf ein Klartext-Sparring? Ich unterstütze Unternehmer und Führungskräfte dabei, Positionierung zu schärfen, Workflows und Strukturen aufzubauen, die Wirkung multiplizieren.

Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu Storytelling in der strategischen Positionierung

1. Was versteht man unter Storytelling in der strategischen Positionierung?

Storytelling in der Positionierung bedeutet, die Kernbotschaft und Differenzierung einer Marke oder Person nicht nur als Fakten darzustellen, sondern in Form von Geschichten, Metaphern und Bildern zu transportieren. So wird die strategische Ausrichtung verständlicher, emotionaler und einprägsamer.

2. Warum wirken Bilder und Geschichten stärker als reine Fakten?

Neurowissenschaftliche Studien zeigen, dass unser Gehirn Bilder in Millisekunden verarbeitet und Geschichten multisensorisch erlebt. Sie aktivieren Emotionen und Spiegelneuronen, sodass wir mitfühlen. Fakten überzeugen den Kopf, Geschichten erreichen Herz und Kopf zugleich.

3. Worin liegt der Unterschied zwischen Storytelling und Branding?

Branding umfasst visuelle und emotionale Elemente wie Logos, Farben oder Claims. Storytelling ist ein Werkzeug innerhalb des Brandings, um die strategische Positionierung lebendig zu machen. Ohne klare Positionierung bleibt Storytelling beliebig mit Strategie wird es zum Differenzierungshebel.

4. Kann man Personal Branding ohne Storytelling betreiben?

Ja – aber es bleibt meist blass. Persönliche Strahlkraft entsteht dann, wenn Führungskräfte ihre Werte und ihr Nutzenversprechen in konsistente Narrative übersetzen. Ohne Storytelling bleibt Personal Branding oft bei Sichtbarkeit stehen, ohne Substanz zu transportieren.

5. Welche Fehler machen Unternehmen beim Thema Storytelling am häufigsten?

Der häufigste Fehler ist, Storytelling als reine Marketing-Verpackung zu verstehen – hübsche Kampagnen ohne strategisches Fundament. Ebenso problematisch ist inkonsistentes Storytelling: Wenn unterschiedliche Kanäle widersprüchliche Signale senden, verlieren Marken an Glaubwürdigkeit.

6. Wie beginne ich als Unternehmen oder Führungskraft mit strategischem Storytelling?

Der erste Schritt ist nicht die Geschichte selbst, sondern die Klarheit über die eigene Positionierung: Wer sind wir? Für wen sind wir relevant? Was macht uns einzigartig? Auf diesem Fundament lassen sich dann Geschichten entwickeln, die konsistent, emotional und differenzierend wirken.

7. Gibt es wissenschaftliche Belege dafür, dass Storytelling wirkt?

Ja. Studien des MIT zeigen, dass wir Bilder in nur 13 Millisekunden erkennen können. Die Dual-Coding-Theorie (Paivio) belegt, dass Bilder nachhaltiger erinnert werden als Worte. Antonio Damasio und Paul Zak haben gezeigt, dass Emotionen und Geschichten das Entscheidungsverhalten direkt beeinflussen.

Quellen & weiterführende Literatur
  • Potter, M. C. et al. (2014). Detecting meaning in RSVP at 13 ms per picture. Attention, Perception, & Psychophysics, 76(2), 270–279. – MIT-Studie zur extrem schnellen Bildverarbeitung.
  • Paivio, A. (1971). Imagery and Verbal Processes. New York: Holt, Rinehart & Winston. – Grundlage der Dual-Coding-Theorie (Verarbeitung von Bildern und Worten).
  • Standing, L. (1973). Learning 10,000 pictures. Quarterly Journal of Experimental Psychology, 25(2), 207–222. – Empirischer Nachweis des Picture Superiority Effects.
  • Damasio, A. (1994). Descartes’ Error: Emotion, Reason, and the Human Brain. New York: Avon Books. – Neurowissenschaftliche Analyse zur Rolle von Emotionen in Entscheidungsprozessen.
  • Zak, P. J. (2015). Why inspiring stories make us react: The neuroscience of narrative. Cerebrum: The Dana Forum on Brain Science. – Nachweis, dass Geschichten Neurotransmitter wie Oxytocin auslösen und so Empathie und Vertrauen fördern.
  • Ries, A. & Trout, J. (1981). Positioning: The Battle for Your Mind. McGraw-Hill. – Klassiker zur strategischen Positionierung.
  • Kotler, P. & Keller, K. L. (2016). Marketing Management. Pearson. – Standardwerk zur Markenpositionierung und Markenführung.
  • Harvard Business School (2021). Personal Branding: Defining and Communicating Your Value. Harvard Business Review Press. – Grundlagen zur Verknüpfung von Personal Branding und Strategie.

Mittelstand hautnah

Menschen. Macher. Mittelstand.

Der Podcast für Entscheider im Mittelstand. Persönlich. Relevanzstark. Praxisnah.